09 August 2021
Die Automobilindustrie verändert sich mit großer Geschwindigkeit.
In dem Maße, in dem wir zunehmend vom Verbrenner über Hybride zu reinen Elektrofahrzeugen wechseln, ändern sich auch die Prioritäten der Entwickler. Es ist offensichtlich, dass wir Geräusche, Schwingungen und Rauigkeit in zukünftigen Fahrzeugen signifikant anders wahrnehmen werden.
Geräusche
Geräusche entstehen aus Schwingungen und stehen generell für alles, was man hört, als Folge akustischer Wellen, die sich durch Luft oder andere Medien verbreiten.
Schwingungen
Schwingungen sind periodische, wiederkehrende oder andere Bewegungen von festen oder elastischen Körpern oder Medien um eine Position oder Gleichgewichtslage.
Rauigkeit
Rauigkeit – in diesem Zusammenhang – wird als Psychoakustik verstanden, dem menschlichen Empfinden von Schall bzgl. Frequenz und Dauer, anstatt nur der Lautstärke.
Wenn sich die Automobilindustrie in Richtung Hybrid- und Elektrofahrzeuge verändert, werden Geräusche, Schwingungen und Rauigkeiten entstehen (oder vermehrt wahrgenommen) durch neue, aber auch vorhandene Quellen. Während der Antriebsstrang für Elektrofahrzeuge sich stetig weiterentwickelt und verändert, bleiben Komponenten für den Innenraum und die Karosserie weitgehend gleich. Geräusche und Schwingungen von Fahrzeugelektronik, Getriebe, Motor, Interaktion von Rädern mit der Straße sowie Aerodynamik zu bewältigen, stellt neue Herausforderungen an Komponenten-Entwickler, da viele Geräusche zum Teil oder ganz vom Verbrennungsmotor überdeckt wurden. Komponenten-Entwickler müssen neue Lösungen finden, um diese Geräusche zu beseitigen und den steigenden Ansprüchen der Kundschaft gerecht zu werden.
Wird der Antriebsstrang zunehmend elektrifiziert, müssen Konstrukteure folgende vier Kategorien berücksichtigen, die Geräusche, Schwingungen und Rauigkeiten im Fahrzeug verursachen:
Vormals überlagerte Geräusche
Der Austausch eines Verbrennermotors durch einen elektrischen Antrieb bedeutet, dass Geräusche, die vormals überlagert waren, nun von den Fahrzeugnutzern wahrgenommen werden. Geräusche durch sich ändernde Fahrbahnbeläge, Quietschen, Klappern und Dröhnen müssen von Fahrzeug-Konstrukteuren und Komponenten-Entwicklern ernsthaft beachtet und vermieden werden.
NVH Management
Während die generelle Vorstellung besteht, dass es in einem Elektrofahrzeug leise ist, sieht die Realität anders aus. Mit entsprechender Planung kann es schon sehr leise sein. Dies bedarf aber einiges an Entwicklung und Erprobung, um Quietschen, Klappern, Dröhnen sowie Abroll- und Strömungs-Geräusche zu reduzieren. „Der Teufel steckt im Detail“ ist ein bekanntes Sprichwort, das sagen soll, dass es oft die kleinen Dinge sind, die einen großen Einfluss haben.
Mögliche Anpassungen im Innenraum
Es gibt viele Faktoren, die Einfluss auf den Fahrzeuginnenraum haben. Die Elektrifizierung des Fahrzeugs ermöglicht den Wegfall des Verbrennungsmotors, kompaktere elektrische Antriebe, so gut wie kein Getriebe mehr und Batteriezellen, die sich unterhalb der Fahrzeugkabine befinden. Diese Veränderungen eröffnen neue Gestaltungsmöglichkeiten bzgl. Innenraum, die traditionell bei Verbrennern nicht machbar waren. Diese Veränderungen werden heute für Elektrofahrzeuge zum Standard.
Ein anderer Aspekt ist der Trend zum autonomen Fahren; zusätzliche Möglichkeiten hinsichtlich der Innenraumnutzung und der Sitzverstellbarkeit – wie z. B. Dreh- oder Liegesitze – werden attraktiv. Weitere mechatronische Komponenten, wie z. B. automatisierte Türschließsysteme, werden sich zunehmend durchsetzen.
Alles, was sich bewegt, erzeugt prinzipiell Geräusche und Vibrationen. Um die Erwartungen der Kunden und Fahrzeugnutzer zu erfüllen, müssen die Stellmotoren für diese Innenraumfunktionen mit reibungsarmen Komponenten ausgestattet sein, wenn sie Geräusche, Schwingungen und Rauigkeiten reduzieren und einen angenehmen Betrieb über Lebensdauer unterstützen sollen.
Vermehrter Einsatz von Elektromotoren
Zunehmend werden Fahrzeugfunktionen automatisch angetrieben, wie z. B. Fensterheber, Feststellbremsen, Heckklappen, und erhöhen dadurch die Geräuschkulisse im Innenraum. Einige Geräusche tolerieren wir, da wir dadurch z. B. erkennen, dass die Feststellbremse arbeitet, andere empfinden wir schlicht als störend, besonders wenn es sonst fast lautlos ist. Dominierende Geräusche und andere psychoakustische Parameter müssen untersucht werden, um zu verstehen, warum Menschen bestimmte Geräusche von Elektromotoren als unangenehm empfinden.
Ein anderer Trend ist die Steigerung des Komforts für Fahrer und Mitreisende. Weitere Entwicklungen von mechatronischen Einrichtungen und Verstellsystemen werden kommen, allein um mit der Geschwindigkeit mithalten zu können, die Fahrzeuge im Premiumsegment vorgeben und Ausstattungsmerkmale anzubieten, die von Kunden erwartet werden – mit entsprechend mehr elektrischen Stellmotoren.
Diese Änderungen führen zu Herausforderung bzgl. NVH für folgende Phänomene:
Quietschen – entsteht, wenn zwei Flächen sich reibend gegeneinander bewegen und wird beeinflusst durch den Reibwert, Rutschgleiten und Oberflächenbeschaffenheit.
Klappern – hartes Geräusch, das entsteht, wenn eine Lagerstelle Spiel hat und die Teile durch Vibrationen gegeneinanderschlagen können.
Wahrnehmung – Geräusche entstehen bei der Bedienung verschiedener Funktionen wie Türschließer, Fensterheber, Hebel etc., woran erkennbar ist, dass diese Funktion gerade ausgeführt wird.
Heulen/Dröhnen – tonale Geräusche innerhalb enger Frequenzen, wie sie z. B. durch Motoren, Getriebe, Schaltelektronik, etc. verursacht werden. Dies kann als stark störend empfunden werden.
Abrollgeräusche – entstehen durch das Abrollen der Reifen auf der Straße. Dies tritt offensichtlich auch bei zukünftigen Fahrzeugen auf, allerdings wurden die entstehenden Geräusche im langsamen bis mittleren Geschwindigkeitsbereich vom Verbrennungsmotor überlagert. Bei geringer Geschwindigkeit treten überwiegend Klappergeräusche auf, während bei mittlerer und höherer Geschwindigkeit Körperschall dominiert, weshalb eine bessere Fahrgastzellen-Dämmung wichtig wird.
Windgeräusche – diese werden mit zunehmender Geschwindigkeit dominierend und überlagern alle anderen Geräusche. Diese entstehen durch Verwirbelungen, besonders an Abrisskanten wie z. B. A-Säulen, Außenspiegel, Radkästen etc. Diese hochfrequenten Geräusche bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit hinsichtlich genereller Fahrzeugaerodynamik, Türisolierung, Unterbodengestaltung und Verglasung.
Verbessertes NVH-Verhalten mit Saint-Gobain
Die Saint-Gobain Gruppe verfügt über Produkte und Knowhow, um das NVH-Verhalten all dieser Kategorien zu verbessern.
NORGLIDE® Gleitlager, mit einer starken PTFE Schicht sorgen für geringe Reibung, vermeiden Rutschgleiten und sorgen so für geräuschlose Bewegungen.
Sowohl NORGLIDE® Gleitlager als auch RENCOL® Toleranzringe sind Bauteile, die als Verbindungselement zwischen Achsen und Gehäusen eingesetzt werden und Klappergeräusche vermeiden, indem sie Spiel kompensieren und Toleranzen ausgleichen. Darüber hinaus sind sie in der Lage, unterschiedliches Ausdehnungsverhalten – wenn z. B. Bauteile aus verschiedenen Materialien gepaart werden – auszugleichen und somit Drehmomente weitgehend stabil zu halten. Die Fähigkeiten beider Produktgruppen wurden kombiniert zu unseren SPRINGLIDE™ Lösungen.
Toleranzringe wirken als dreidimensionale Federelemente. Als solche eröffnen sie Möglichkeiten, die Schnittstellen eines Elektromotors zu optimieren und so z. B. Vibrationen zwischen Verzahnung/Stator und dem Gehäuse zu entkoppeln.
Der von den Rädern verursachte Körperschall kann mit geeigneten Maßnahmen der Fahrzeugdämmung oder schallschluckenden Systemen begegnet werden. Unsere Geschäftseinheit Pritex, Anbieter solcher geräuschunterdrückenden Systeme, hat umfangreiche Erfahrungen in der Entwicklung geeigneter Geräuschdämmungen.
Das NVH Entwicklungsteam führt Prüfungen durch und unterstützt bei der Entwicklung vieler Produkte.
In unserer Absorberkammer in Bristol können wir Messungen und Bewertungen für Geräusche, Schwingungen, Übertragungen, Ordnungsbestimmungen von Motoren unter Einsatzbedingungen und Kundenanforderungen durchführen – passend zu spezifischen Projekten.
Für Fahrzeugdämmungen können wir Empfehlungen auf Basis der Rohkarosse, einem fahrbereiten Fahrzeug und bzgl. der Produktkonformität erteilen.
Um mehr über unsere Produkte und deren Rolle bei der Reduzierung von NVH-Auswirkungen zu erfahren, treten Sie mit uns bei Saint-Gobain in Kontakt – von Entwickler zu Entwickler. Wir können unsere umfangreiche Erfahrung mit Ihnen teilen. Sie erreichen uns per Kontaktformular oder per Mail: makingabigdifference@saint-gobain.com.