15 Januar 2021
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Gleitlager oder Wälzlager (z. B. Kugellager)? Wir schauen uns die Komponenten einmal genauer an, ihre Haupteigenschaften, deren Einsatz – und wie das verwendete Material letztendlich den entscheidenden Unterschied in einer Anwendung machen kann.
Lager gibt es in vielen Bauformen; dabei können verschiedene Rollkörper oder Gleitflächen sowie unterschiedliche Materialien zum Einsatz kommen – als Radiallager oder auch als Axiallager, um Dreh- und/oder Linearbewegungen zu ermöglicht. Allen gemeinsam ist ein Ziel: die Bewegung zweier verbundener Teile zu ermöglichen und die Reibung zu minimieren. Hier ist eine Übersicht über die wichtigsten Bauformen:
Zwischen einem Innenring und einem Außenring angeordnete Keramik- oder Stahlkugeln bilden das klassische Kugellager. Die Kugeln werden durch geeignete Maßnahmen gleichmäßig und mit kontrolliertem Abstand über die Lagerfläche verteilt. Die Zwischenräume dienen meist als Schmierstoffreservoir, da die Kugeln permanent gefettet werden müssen. Zur Vermeidung von Verunreinigungen durch Staub oder Feuchtigkeit kann das System abgedichtet werden. Die Kugeln können ein- oder mehrreihig angeordnet werden. Durch unterschiedliche Gestaltung der Ringe werden Lagerlasten in axialer oder radialer Richtung ermöglicht, z. B. Rillenkugellager, Schulterkugellager, Pendelkugellager oder Axialrillenkugellager. Diese Lagerarten sind weit verbreitet und eignen sich besonders für hohe Drehzahlen – von komplexen Anwendungen in der Automobilindustrie, Flugzeugtechnik bis hin zum Skateboard.
Spannt man die Kugeln zwischen zwei Schienen, sind auch Linearbewegungen möglich wie z. B. bei einer Fahrzeugsitz-Längsverstellung oder Schubladen-Führungen.
Bei Rollenlagern haben die Wälzkörper eine zylindrische oder tonnenartige Form und sind zwischen einem inneren und einem äußeren Laufring angeordnet. Aufgrund der größeren Auflagefläche sind Rollenlager höher belastbar als Kugellager.
Auch hier werden die Wälzkörper durch geeignete Maßnahmen gleichmäßig und mit kontrolliertem Abstand über die Lagerfläche verteilt. Eine lange Lebensdauer wird durch permanente Schmierung und einer Abdichtung gegen Schmutz und Feuchtigkeit erreicht. Unterschiedliche Bauarten erlauben das Handhaben von axialen und radialen Lasten: Zylinderrollenlager, Pendelrollenlager, Kegelrollenlager oder Axialrollenlager. Rollenlager kommen in hoch belasteten Lagerstellen zum Einsatz wie z. B. im Maschinenbau, in der Bergbauindustrie oder bei Nutzfahrzeugen. Ist die Länge der Wälzkörper etwa 3-10 mal länger als deren Durchmesser spricht man von Nadellagern.
Nadellager sind eine Untergruppe der Rollenlager. Die Rollen sind hier im Durchmesser deutlich kleiner im Vergleich zu ihrer Länge, sodass sie wie Nadeln anmuten. Diese Bauart ermöglicht relativ hohe Lasten – je nach Ausführung – als Radial- oder Axial-Lager. Durch die dünnen Wälzelemente (Nadeln) lassen sich relativ flache oder dünnwandige Lager herstellen – was Bauraum und Gewicht spart, dafür aber größere Kontaktflächen benötigt. Nadellager finden sich in zahlreichen automobilen Anwendungen, wie z. B. in Pumpen, Kompressoren oder Getrieben.
Kugellager, Rollenlager und Nadellager sind sogenannte Wälzlager. Sie werden meist mit Übermaßpassung zum Gehäuse (durch den Außenring) und zur Achse (durch den Innenring) verbaut, was entsprechende Toleranzanforderungen an die zu paarenden Bauteile stellt. Eine zu starke Stauchung eines Wälzlagers kann dazu führen, dass die Lagerluft zu gering ist, um ein ausreichendes Betriebsspiel zu gewährleisten. Dies führt zu erhöhter Reibung und vorzeitigem Versagen des Lagers.
Toleranzringe können helfen, dieses Problem zu lösen. Die Verprägungen eines Toleranzrings wirken wie Federn und fixieren durch Vorspannung ein Wälzlager im Gehäuse. Die Vorspannung ist ausreichend, um das Lager sicher zu befestigen, aber nicht zu hoch, was ein Stauchen des Lagers verhindert. Die federnden Eigenschaften des Toleranzrings kompensieren außerdem Maßänderungen bedingt durch thermische Einflüsse und wirken entkoppelnd hinsichtlich Schwingungen.
Mehr Details finden Sie unter RENCOL® Toleranzringe.
Gleitlager sind prinzipiell alle Lager, die ohne Rollkörper auskommen. Sie werden auch als Gleitlagerbuchse, Buchse oder Gleitbuchse bezeichnet. Die einfachste denkbare Gestaltung ist dabei die Verbindung zweier Bauteile unter Schmierung der Kontaktflächen. Dies ist jedoch sehr wartungsintensiv und von oft kurzer Lebensdauer, sodass eine Vielzahl besserer Lösungen entwickelt wurde, um für spezifische Anwendungen ein Optimum aus Leistung und Aufwand zu erzielen. Eine Möglichkeit besteht darin, spezielle Lagermaterialien auszuwählen und diese in geeigneter Form zwischen die zu lagernden Bauteile zu platzieren. Diese eigentlichen Gleit-Elemente oder Gleitlager lassen axiale, radiale und lineare Bewegungen zu – je nach Gestaltung in bis zu drei Bewegungsachsen (Gelenklager).
Gleitlagermaterialien
Neben der geometrischen Ausgestaltung hat die Wahl des Lagermaterials den größten Einfluss auf die Verwendung. Des Weiteren unterscheidet man zwischen geschmierten, teil-geschmierten und selbstschmierenden Gleitlagern – erstere funktionieren meist bei hohen Gleitgeschwindigkeiten unter Ausbildung eines Schmierfilms (hydrodynamische Lager) wie beim Wasserski oder Aquaplaning.
Metallische Gleitlager bestehen meist aus einer Legierung unterschiedlicher Metalle, wie z. B. Aluminium, Zinn, Zink, Wismut oder Kupfer. Diese Legierungen können als Gussteile oder als Flachmaterial hergestellt. Aus einem solchen Blech lässt sich dann mittels Stanz-Biege-Prozess ein Gleitlager herstellen. Metallische Gleitlager sind besonders für hydrodynamische Bedingungen geeignet und finden deshalb Einsatz bei Anwendungen mit hohen Gleitgeschwindigkeiten: Motorlager, Turbinenlager oder Getriebe. Kritisch für diesen Gleitlagertyp ist besonders der Aufbau und Unterhalt des Schmierfilms, da ein direkter Kontakt des Gleitlagermaterials mit dem Gegenlaufpartner höhere Reibung und Verschleiß zur Folge hat.
Wie der Name vermuten lässt, unterscheiden sich Sinter-Lager von den oben beschriebenen metallischen Gleitlagern durch das Herstellverfahren. Beim Sintern entstehen kleine Hohlräume im Metallgefüge, welche mit Schmierstoffen gefüllt (Graphit, MoS2) und/oder mit Öl getränkt werden können. Dadurch haben Sinter-Lager meist bessere Notlaufeigenschaften, da sich die Hohlräume wie ein Schwamm mit Öl vollsaugen können und dieses dann als Schmiermittel abgeben. Sinter-Lager kommen z. B. im Automobilbau zum Einsatz – in Anlassern, Kraftstoffpumpen oder auch in Haushaltsgeräten.
Kunststoffe sind leichter als Metalle und auch einfacher zu verarbeiten. Die meisten Kunststoffe lassen sich unter Temperatur in jede denkbare Form bringen. Dies macht Gleitlager aus Kunststoff attraktiv, da sie kostengünstig herzustellen sind und im Gegensatz zu den meisten Metallen nicht korrodieren. Aber auch unter den Kunststoffen gibt es signifikante Unterschiede, wie z. B. Belastbarkeit, Temperaturbeständigkeit, Reibverhalten oder Verschleißbeständigkeit. Um die Eigenschaften zu optimieren, werden deshalb oft Füllstoffe zugemischt. Populär sind z. B. Glas, Kohlefasern (zur Steigerung der Tragfähigkeit); Kohle, Graphit (für elektrische Leitfähigkeit) oder PTFE, Graphit, MoS2 (zur Reduzierung der Reibung). Generell sind Gleitlager aus Kunststoff denen aus Metall hinsichtlich Temperaturbeständigkeit und Belastbarkeit unterlegen. Durch Verwendung hochwertiger Kunststoffe und funktioneller Füllstoffe kann der Unterschied verringert werden; dadurch geht aber meist der Kostenvorteil weitgehend verloren. Kunststoffgleitlager finden sich weitverbreitet über alle Industrien hinweg in Anwendungen mit geringer bis mäßiger Belastung und Gleitgeschwindigkeit.
Erfahren Sie mehr über die Nachteile von Kunststoffbuchsen in unserem Blog "5 Gründe, Kunststoff-Gleitlager zu ersetzen".
Von allen festen Schmierstoffen ist PTFE (Polytetrafluoräthylen) das mit Abstand interessanteste Material. Bekannt geworden unter dem Namen Teflon™ verfügt PTFE über herausragende Eigenschaften: unter anderem, sehr geringer Reibwert, großer Temperatur-Einsatzbereich, extreme Chemikalienbeständigkeit sowie eine hohe Elastizität und Flexibilität. All dies hat dazu geführt, dass PTFE ein wichtiges Material ist, wenn es um das Thema Gleitlager geht. Da PTFE allerdings ein recht weicher und komplex zu verarbeitender Kunststoff ist, bedarf es besonderer Anstrengungen, diesen Werkstoff gleitlagertauglich zu machen.
Um einerseits die vorteilhaften Eigenschaften von Kunststoffen zu nutzen, aber deren Schwächen zu überwinden, liegt es nahe, verschiedene Werkstoffe miteinander zu verknüpfen. Diese sogenannten Verbundwerkstoffe vereinen viele der positiven Eigenschaften, die wir sowohl bei metallischen Lagern als auch von Kunststoff-Lagern finden und schätzen. Eine Auswahl für solche Verbundwerkstoffe sind beispielsweise: kunststoffbeschichtete Gewebematerialien, kunststoffimprägnierte Sintermetalle, durch Metall verstärkte Kunststoff-Folien oder Laminate aus Kunststoff und Metall.
NORGLIDE® Gleitlager werden aus PTFE gemacht, welches durch Füllstoffe unterstützt (PFTE Compounds) und mit Metall verstärkt wird. So ist es für Anwendungen mit hoher Belastung geeignet und ermöglicht einen langen und zuverlässigen Einsatz. Wir haben über 70 Jahre Erfahrung in der Verarbeitung und Optimierung von PTFE-Compounds und können aufgrund einer Baukasten-Strategie bestehend aus einer Vielzahl unterschiedlich gefüllter PTFE-Compounds in Kombination mit verschiedenen Metallstrukturen und –materialien maßgeschneiderte Kundenlösungen anbieten. Wenn es die Themen „smartes Design“ (platzsparende, effizient Lösungen), „perfekte Passgenauigkeit“ (ideale Verbaubarkeit), „Geräuschminderung“ (herausragende Dämpfungseigenschaften) oder „lange Lebensdauer“ (geringste Reibung und höchsten Korrosionsschutz) geht, dann sind wir für Sie der richtige Ansprechpartner!
Entdecken Sie mehr und werfen Sie einen Blick auf unsere NORGLIDE® Gleitlager.
Hier finden Sie auch eine Auswahl an Anwendungen, in denen NORGLIDE® erfolgreich zum Einsatz kommt. NORGLIDE® Gleitlager werden aus einem Flachmaterial mittels Stanz-Biege-Technik gefertigt. Somit lassen sich sehr dünne und platzsparende Gleitlager herstellen. Eine Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten ist denkbar – neben Hülsen, Scheiben und Bundbuchsen auch tief gezogene, sphärische Formen, wie z. B. bei Gelenklagern.
Gelenklager verfügen über eine sphärische Gleitfläche und ermöglichen so Bewegungen in drei Achsen. Gleitlagermaterialien, die hier zum Einsatz kommen, müssen sich also an diese Geometrie anpassen lassen. Unser NORGLIDE® MP Material ist hierfür besonders geeignet. Es verfügt über die herausragenden Gleiteigenschaften eines PTFE-Werkstoffs in Kombination mit einer effizienten Metallverstärkung zur Bewältigung hoher Lasten. Durch die Wahl eines Metallgewebes als Verstärkungsstruktur bleibt das Material flexibel und einfach zu formen. NORGLIDE® MP kann hervorragend Toleranzen ausgleichen, Schwingungen dämpfen und verleiht der Lagerstelle gleichbleibend niedrige Reibung in Kombination mit einem stabilen Drehmoment. Durch die Verwendung von PTFE wird keine zusätzliche Schmierung benötigt und macht das Lager somit wartungsfrei. NORGLIDE® MP kann durch geeignete Maßnahmen auf jeder metallischen Oberfläche fixiert werden.
Weitere Information finden Sie unter NORGLIDE® als Gleitbelag für Gelenklager.
Tribologie ist die Lehre über die Reibung. Die Tribologie spielt eine große Rolle bei den Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten von Saint-Gobain. Mittels Tribologie erlangen wir ein besseres Verständnis über die Verschleißprozesse und können diese Erkenntnisse in unsere Gleitlager-Technologie einfließen lassen. So arbeiten wir beispielsweise mit Fahrzeugtechnikern zusammen, um in Anwendungen kontrolliert gleichbleibende Reibung zu gewährleisten – unter Berücksichtigung der Reduzierung von Geräuschen, Vibrationen, Korrosion und Verschleiß.
Um mehr über unsere Forschungsaktivitäten hinsichtlich Tribologie zu erfahren, lesen Sie bitte unseren Blog.
Sie sind sich unsicher, welches Gleitlager Sie benötigen? Von einer simplen Lagerhülse bis hin zur Gleiteinlage für ein Lenkungsdruckstück – das verwendete Material kann einen bedeutenden Unterschied im täglichen Gebrauch machen.
Sprechen Sie mit Fachleuten bei Saint-Gobain, von Techniker zu Techniker. Wir überlegen gemeinsam mit unseren Kunden, welche Anforderungen wie gelöst werden können, um dann ein passendes Gleitlager auszuwählen, welches robust, zuverlässig und genau richtig für Ihre Anwendung ist.