14 April 2022
Federbeine spielen eine zentrale Rolle beim Handling eines Fahrzeuges. Diese einfachen aber enorm wichtigen Bauteile haben einen großen Einfluss auf das Fahrerlebnis und somit auch auf das Qualitätsempfinden des Fahrzeuges – sowohl für den Fahrer als auch für die Mitreisenden.
Das Federbein besteht aus einer Spiralfeder und einem Stoßdämpfer und verbindet die Achse mit der Karosserie. Unebenheiten der Straße werden während der Fahrt durch Stauchen und Entspannen der Feder absorbiert; der Stoßdämpfer reduziert dabei die Schwingungsenergie, um ein Aufschwingen zu verhindern. Während dieses Vorgangs kommt es an den Feder-Enden zu Drehbewegungen, welche ein Federbeinlager im feststehenden Stützlager ermöglicht.
Aufgrund dieser Rolle werden an ein Domlager eine Reihe von Anforderungen gestellt. Eine zu große Reibung kann zum Haft-Gleiten führen – gekennzeichnet durch ruckartige Bewegungen und dadurch zu störenden Vibrationen für die Nutzer des Fahrzeugs. Für eine optimale Funktion wird eine geringe, aber konstante Reibung (bzw. Drehmoment) benötigt, welches dem System eine ruckfreie Bewegung ermöglicht. Da es auch die Last der Federung auf die Karosserie überträgt, muss dies beim Lagerdesign berücksichtigt werden.
Somit ist das Domlager als Teil der Federung mitverantwortlich für ein angenehmes Fahrerlebnis über die Lebensdauer des Fahrzeugs hinweg.
Zurzeit kommen als Domlager in der Mehrzahl entweder Kugellager aus Stahl oder Kunststoff-Gleitlager zum Einsatz. Auch wenn Kunststoff-Gleitlager aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit immer beliebter werden, haben Kugellager immer noch einen Marktanteil von über 80%. Schauen wir uns im Vergleich die Vor- und Nachteile genauer an.
Kugellager |
Gleitlager |
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Vorteile:
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Vorteile:
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Nachteile:
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Nachteile:
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Zusammenfassend lässt sich sagen: Kugellager bieten ein vorzügliches Drehmoment während Gleitlager Vorteile hinsichtlich Raumbedarf und Gewicht vorweisen. Egal welche Wahl ein Entwickler trifft – er muss Kompromisse eingehen.
Einfluss auf die Performance eines Domlagers haben einwirkende Kräfte, Temperatur, Korrosion, Schwingungen und weitere Merkmale. Bei genauerer Betrachtung sind meist mehrere Faktoren für ein Merkmal verantwortlich. Darüber hinaus beeinflussen sich die Merkmale gegenseitig, was die Anforderungen an Domlager recht komplex macht. So kann die Last, die auf ein Domlager einwirkt, verschiedene Ursachen haben; bei einem sportlich ausgelegten Fahrzeug sind beispielsweise die Seitenkräfte deutlich höher und wirken radial zusätzlich auf das Domlager. Der aktuelle Trend zu Elektromobilen führt zu einer höheren Dynamik, die auf die Federung wirkt. Nichtsdestotrotz erwarten die Verbraucher unverändert einen immer besseren Fahrkomfort. Dies hat einen Einfluss auf die Anforderungen an die Federung.
Der verfügbare Bauraum für ein Federbein ist ausschlaggebend für einen hohen Fahrkomfort. Für eine agile Fahrdynamik und einen hohen Fahrkomfort ist ein möglichst großer Federweg hilfreich. Einige Federbeinlager reduzieren durch ihren Platzbedarf wichtigen Raum; je größer ein Lager je mehr Kompromisse sind hinsichtlich Handling und Komfort einzugehen.
Lebensdauer und Verschleiß sind weitere Gesichtspunkte und gehören zu einem der fünf wichtigsten Herausforderungen der Industrie. Kugellager leiden unter zwei Einflüssen: Korrosion und Standmarken; beides kann zu Klopf- oder Klapper-Geräuschen führen, sowie zu einem gestörtem Lenkverhalten.
All dies sind unerwünschte Effekte, die einen Einfluss auf das Fahrerlebnis, das Qualitätsempfinden und die Wahrnehmung der Marke haben.
Der wachsende Zuspruch für Elektrofahrzeuge und langfristig wohl auch für autonome Mobilität wird zusätzliche Anforderungen an die Federungssysteme und das Domlager stellen. Beim deutlich leiseren Elektro-Antrieb werden im Fahrzeuginnenraum Geräusche wahrgenommen, die bisher durch den lauten Verbrennungsmotor überlagert wurden. Komponenten werden zunehmend dahingehend ausgewählt, ob und wie sie in der Lage sind, Geräusche und Schwingungen zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Aktuell können Kugellager das nicht leisten.
Ein zunehmendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und damit einhergehende Anforderungen können dazu führen, dass der Einsatz bestimmter Materialien oder Schmierstoffe eingeschränkt wird. Ein weiterer Aspekt, der seit Jahren verfolgt wird, verstärkt sich: der Leichtbau. Es ist bekannt, dass leichtere Fahrzeuge weniger CO2 verursachen, leichtere Elektromobile eine größere Reichweite erzielen. Um das zu erreichen, muss jede einzelne Fahrzeug-Komponente leichter und kleiner werden.
Im Jahre 2016 analysierte unser Saint-Gobain Mobility Team den Markt für Fahrzeug-Federbein-Systeme. Ziel der Untersuchung war herauszufinden, was die verwendeten Produkte leisten und inwieweit sie die Wünsche der Fahrzeughersteller (OEM’ s und Lieferanten) erfüllen.
Was mit einer Marktbetrachtung begann, führte unser Team zu mehreren Messen, Kundenbesuchen und detaillierten Interviews mit Schlüsselkunden. Als Ergebnis dieser Initiative hatten wir ein klares Bild dessen, was von einem Federbeinstützlager erwartet wird, sowie die Erkenntnis, dass existierende Systeme nicht alle weiter oben beschriebenen Aspekte erfüllen.
Ist die Industrie zufrieden mit den verfügbaren Optionen? Nicht wirklich! Als Quintessenz aller Kunden-Interviews, Diskussionen und Fachmessen wurden immer wieder fünf Punkte thematisiert. Einzelne Kriterien werden derzeit schon von bestimmten Systemen erfüllt, jedoch gibt es keines, das alle Kriterien abdeckt. Dies eröffnet die Möglichkeit, eine bessere, robustere Lösung zu entwickeln. Zusammenfassend lassen sich fünf Punkte identifizieren:
Welche Lösung kann diese Herausforderungen meistern und OEM’ s sowie Lieferanten überzeugen?
Neue Komponenten, Baugruppen oder sogar ganze Systeme werden von OEM’ s und deren Entwicklungsabteilungen sorgfältig geprüft und kostentechnisch bewertet. Jede Lösung hat auf mehreren Ebenen zu bestehen.
Die Problematik wurde erfasst, die Anforderungen abgegrenzt und weltweit mit zahlreichen Experten und Kunden diskutiert, um ein klares Bild von den Erwartungen an Domlager zu bekommen.
Die Arbeit begann 2018 mit der Entwicklung eines Domlagers mit NORGLIDE® Prototypen und deren Test. Das Design musste einzigartig sein, nicht nur neu und innovativ, sondern mit dem Hauptaugenmerk darauf, dass das Team ein Gleitlager-Konzept entwickelt, welches den industriellen Anforderungen entspricht.
Unsere Entwickler kombinierten Kunststoff und PTFE-compoundiertes NORGLIDE® Material zu einem leistungsfähigen Domlager, welches platzsparend und leicht ist, ein gleichmäßiges Drehmoment erzeugt und geräusch- sowie schwingungs-dämpfend wirkt. Begleitend durchgeführte Tests halfen, das Design zu optimieren, aber auch den Entwicklern, die Einflüsse (Last, Temperatur, Drehmoment) auf das Leistungsvermögen besser zu verstehen. Dies hilft uns bei der individuellen Auslegung eines jeden neuen Domlagers. Unser Ansatz ist dabei immer der direkte Austausch zwischen den Entwicklern.
Unser NORGLIDE® Federbeinlager wird detailliert auf unserer Anwendungs-Seite beschrieben; dort finden sich auch Leistungskennzahlen und Versuchsergebnisse.
Sprechen Sie mit uns über anstehende Entwicklungen und Ihre Herausforderungen, entdecken Sie mit unseren Entwicklern neue Lösungsansätze. Nutzen Sie dazu unser Kontakformular oder schreiben Sie uns eine E-Mail an: makingabigdifference@saint-gobain.com.